"Welcome to Tough Guy Country!"
Vorwort
Das erste Mal habe ich etwas als kleines Kind von diesem Lauf gehört, besser gesagt gesehen: Ich kann mich noch recht genau daran erinnern, wie begeistert ich war, Erwachsene im Fernsehen zu erblicken, die genau so gerne im Schlamm und Dreck "spielen" wie ich selber zu dieser Zeit. Nun, meine Vorliebe für Schlamm und Dreck ist ja bekanntlich nicht nur geblieben, nein, sie ist mit den Jahren sogar noch gewachsen. Und schon damals vor dem Fernseher war mir eines klar: "Markus, irgendwann machst Du da mal mit..." Nun, dieses Jahr, am 26. Januar 2003 war es dann soweit... Was ist es? Nun, der "Tough Guy" gilt (inoffiziell, denn richtige Ranglisten darüber gibt es natürlich nicht) als der härteste Hindernislauf der Welt und in den 18 Jahren, in denen dieser Lauf ausgerichtet wird, hat er mittlerweile so etwas wie Kultstatus erreicht: Die Teilnehmer kommen aus ganz Europa, Japan, Korea, Amerika, Australien und dieses Jahr sogar aus Hessen, um sich unter den Augen von zahllosen Zuschauern und Fernsehteams aus aller Welt über den jedes Jahr etwas abgeänderten und/oder erweiterten Hindernisparcours zu quälen, oder - wie es einige Vernunftmenschen ausdrücken würden - um sich lächerlich zu machen. Im Unterschied zu anderen Läufen wird beim Tough Guy eben nicht nur die Kraft, Ausdauer und Lauftempo gefordert, sondern eben auch Koordination, Mut (zur Verzweiflung), Geschicklichkeit, eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit sowie die Fähigkeit, den eigenen Ekel zu überwinden. Doch dazu später.
Anreise
Der eigentliche Lauf fand am Sonntag statt, jedoch wird von allen Tough Guy
Veteranen dringend empfohlen, bereits am Vortag anzureisen. Zum einen ist
die Stimmung vor Ort immer recht gut, zum anderen bietet sich einem nur so
die Gelegenheit, sich in aller Ruhe und ungestört den Parcours anzusehen,
zumindest den schwierigen Teil in der Nähe von Start und Ziel. Insbesondere
gilt dies natürlich für alle Nicht-Engländer, denn das Startgeld ist zu
hoch als das man es aufgrund einer zu knapp kalkulierten Anreiseplanung
spenden möchte, nur weil man irgendwo im Zug feststeckt oder den
Anschlußflug verpaßt. Spenden deshalb, weil Startgeld grundsätzlich nicht
erstattet wird. Ist man verhindert, so wird das Geld für wohltätige Zwecke
verwendet. "Wohltätigkeit" steht bei diesem Lauf ohnehin hoch im Kurs,
findet er doch auf der "Mr Mouse Farm for Unfortunates" statt, sprich: Auf
einer Art Gnadenhof für Tiere.
Ich jedenfalls zog es vor, bereits Freitag am späten Abend anzureisen,
einfach weil die gesamte Anreise ab dem Flughafen London/Stansted recht
"improvisiert" war. Ab da mußte ich halt sehen, wie's weiter geht.
Jedenfalls genoß ich somit nicht nur das "Privileg", erster anwesender
Teilnehmer zu sein, sondern auch das Vergnügen, mich in der "Ruhe vor dem
Sturm" mit den verantwortlichen Ausrichtern und Streckenposten (den
sogenannten "Marshals") zu unterhalten und darüber zu reden, wie ich auf
diesen Lauf gekommen bin, was ich sonst so für Sport treibe usw., bevor
ich mich doch recht müde in das zurückgezogen habe, was OL'er als
Massenlager bezeichnen würden: Einem extra für die Teilnehmer freigeräumten
Stall - ziemlich windig, mit Löchern im Dach, aber dafür luxuriös
mit Stroh ausgelegt. Meckern gilt nicht, das ist der Tough Guy, nicht sonst
so ein Wettkampf für Weicheier... ;-)
Erste Besichtigung Der 8 Meilen bzw. 12 km lange Parcours ist in zwei Teilbereiche aufgeteilt: Nach dem Start geht es los mit "The Country Miles", wo relativ wenige Hindernisse auf die Teilnehmer warten, die noch dazu durch recht lange Feldwegstrecken verbunden sind. Nun, an Hindernissen bekommt man hier nur das zu sehen, was die Landschaft ohnehin hergibt, also Bäche, steile Hänge, ruppige und dichte Waldstücke usw. Doch das hat Sinn, dient es doch dazu, das bis zu 8000 Läufer starke Teilnehmerfeld auseinanderzuziehen, eher man in den zweiten Bereich einläuft, der völlig zu recht den Namen "The Killing Fields" trägt. Dieses ist der Bereich, in dem all die extra für diesen Lauf gebauten Hindernisse auf einen warten, hier geht es dann Schlag auf Schlag, ein Hindernis folgt auf das nächste, so daß man nur an wenigen Stellen Zeit hat, sich zu erholen. Je nachdem, in welcher Startgruppe man ist, wird aber schon der Lauf über die Feldwege recht beschwerlich, einfach weil schon so derart viele Füße 'drübergetrampelt sind, daß es eine einzige Schlammpiste wird. Spikes - egal in welcher Form - sind nicht erlaubt... Und in normalen Turnschuhen zu laufen macht den Kurs nun wirklich nicht leichter! Ich jedenfalls habe es am Samstag bei einer Besichtigung der "Killing Fields" belassen, doch das hat gereicht, um meine Vorfreude auf den Lauf bis in's Unermeßliche zu steigern. Egal, ob es nun der "Tiger", der "Behemoth", die "Jesus Bridge" oder sonst ein Hindernis ist, wer so Krank im Kopf ist wie ich, der/die freut sich mächtig auf den Gedanken, sich beim eigentlichen Lauf mit diesen Hindernissen herumschlagen zu dürfen...
Der Lauf
Nach einer weiteren Nacht im Stall ging es Sonntag früh - zwei Stunden vor
dem Start - um 9 Uhr mit den konkreten Vorbereitungen für den Lauf los.
Eigentlich beschränkten sich die Vorbereitungen auf das Auftragen einer
halben Dose Vaseline zwecks Kälteschutz auf Arme und Beine, aber das sollte
auch reichen...
Auf dem Weg zum Start mußte man noch einen Zwischenstop im
"Death Pit Stop" machen um die "Death Warrant" Erklärung - also den
Verzicht aller rechtlichen Ansprüche an den Ausrichter im eigenen Todesfall
- abzugeben. Dabei bekommt man zusätzlich zur normalen Startnummer selbige
noch mal mit wasser- und vor allem schlammfester Tinte auf den Kopf, die
Arme oder sonstige noch freie Stellen geschrieben. Nebenbei gab's noch eine
nette Unterhaltung mit einem Marshal, während er mir die Nummer auf die
Stirn schrieb:
Dann ging es zum Start - und das erste Problem kam zum
Vorschein: Ein heilloses Durcheinander, nichts mit unterschiedlichen
Startgruppen, lediglich eine grobe Einteilung war zu erkennen (die "Front
Squad" nach vorne, Teams dahinter und dann alle durcheinander). Und zum
Kanonenschuß, der als Startsignal diente, setzte sich die gesamte Masse
der Läufer in Bewegung, nur um ganze 200 Meter an der ersten Verengung
der Strecke wieder zum stehen zu kommen. Es sollte ganze vier Meilen
dauern, bis sich das Läuferfeld im hinteren Bereich (in dem ich steckte)
soweit gelüftet hatte, daß man wirklich "laufen" konnte... Bis dahin
war die Bezeichnung "Tough Guy Race" eher unpassend, an vielen Stellen wäre
der Name "Dead Man Walking" besser gewesen... Aber es wurde dann
ja noch (deutlich) besser.
Wer mehr über die Strecke und ihre Hindernisse wissen möchte, kann dies hier nachlesen... Mein persönliches Fazit Nun, viele Leute bezeichnen mich ja als Deppen, Wahnsinnigen, Verrückten, manche gar als Volltrottel oder noch schlimmeres... Mag sein, daß vieles von dem auch stimmt. Wie könnte also mein persönliches Fazit von diesem Lauf wohl aussehen? Ganz klar: Dieser Lauf ist einfach nur genial! Basta! Ab dem "Inetts Track" war ich völlig begeistert, und dabei wurde der Lauf von Hindernis zu Hindernis immer besser! Je abgefahrener und härter die Hindernisse wurden, desto mehr habe ich mich darüber gefreut - teilweise lief ich mit einem Grinsen im Gesicht und einem freudigen Lachen und Kichern durch die Schlammgruben, daß die Marshals und Fotografen nur noch verwundert mit dem Kopf schüttelten. "Crazy German" war sogar einmal zu hören - ich hatte mir die Deutschlandfahne mit Schminke in's Gesicht gepinselt. Wenn schon beim Tough Guy, dann aber bitte richtig... ;-) Aber auch ohne einen gewissen persönlichen Hang zur Perversion kann dieser Lauf durchaus begeistern: Er ist einfach abgefahren - ich habe selten so viele Verrückte auf einen Haufen gesehen - und das ist extrem nett und positiv gemeint! Beim Tough Guy gibt es nur eine kleine Anzahl von "Siegläufern", also Teilnehmern, die unbedingt gewinnen wollen oder zumindest mit dem für sie bestmöglichen Resultat das Rennen beenden wollen. Nein, der überwiegende Anteil sind Läuferinnen und Läufer, die zum einen einfach nur 'durchkommen wollen und - so daß bei Wassertemperaturen um die 0°C überhaupt möglich ist - ihren Spaß haben wollen. Man quält sich einen Berg hoch, denkt sich "warum tust du dir das eigentlich an?" und sieht plötzlich eine Gruppe von Engländern, die in Reizwäsche mit Strapsen und BH's über den Parcours laufen - und fängt unweigerlich an herzhaft zu lachen. Jedes Jahr steht der Lauf unter einem anderen Motto, und mindestens 10% der Läufer kostümieren sich entsprechend. Letztes Jahr im "Year Of Braveheart" liefen die Leute im Schottenrock über die Strecke, dieses Jahr als afrikanische Stammeskrieger mit Schild, Speer und natürlich ordentlich geschminkt... Auch sonst weis der Tough Guy zu überraschen: Einige der Hindernisse sind nur sehr schwer aus eigener Kraft zu bezwingen, für kleinere Teilnehmer auch gar nicht. Also ist man zwangsläufig auf die Hilfe anderer angewiesen - und kann sich sicher sein, die Hilfe auch zu bekommen! Es ist einfach super wenn man vor einer Wand steht und nicht an ihr hochkommt und einem plötzlich unaufgefordert mehrere Leuten von oben ihre Hände entgegenstrecken um einen hochzuziehen. Und kaum daß man oben ist macht man völlig selbstverständlich das selbe: Man hilft - unaufgefordert. Aber wo viel Licht ist... Der Lauf hat wirklich unheimlich viel Spaß gemacht. Aber sollte er das denn überhaupt? Wenn ich doch zum - laut diversen Medienberichten - härtesten Hindernislauf der Welt fahre, dann erwarte ich auch, daß ich hinterher blutspuckend aus dem Zieleinlauf getragen werden muß. Aber der Ausrichter hat ja keinen Einfluß auf das Wetter - wenn die Lufttemperatur eher an den Frühling als an den Winter erinnert verliert der Winter Tough Guy nunmal viel von seiner Härte, denn nur das (immer noch) arschkalte Wasser reißt es eben nicht 'raus. Ok, dafür war der Lauf für Januar ungewohnt schlammig, aber da steh' ich ja 'drauf, also würde ich es nicht unbedingt als besonders "hart" bezeichnen. Aber eines ist schonmal klar: Ich mache demnächst auf jeden Fall wieder mit - aber dann wohl mal den Sommer Tough Guy, zwei Runden und zusätzliche Hindernisse. Und ich hoffe ja, noch jemanden dafür begeistern zu können: Any volunteers? ;-)
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